D&D Next – Playtest zum Abgewöhnen?

D&D Next WerbebildAktuell ist der dritte Packen an D&D-Next-Playtest-Materialien verfügbar. Doch es scheint nicht nur mir so zu gehen, daß die anfängliche Neugier und – bei manchen gar – Euphorie abgeklungen ist.

Es gilt eine neue, zeitgemäße, aktuelle, der Konkurrenz durch die vielen, oft sehr gut aufgemachten, liebevollen Old-School-Renaissance-D&D-Klone und der noch stärkeren Konkurrenz durch das noch besser aufgemachte und energisch unterstützte Pathfinder RPG die Stirn bieten könnende D&D-Version zu erhalten.

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Hit Dice als Universalfertigkeit – Eine Hausregel für O/AD&D

Schafft mein SC den Sprung über den Abgrund? Eventuell – dafür gibt es ja die Attribute in den alten, fertigkeitslosen D&D-Versionen und deren modernen Retro-Klonen. Aber was ist, wenn ein Orc-NSC diesen Sprung machen will? Der hat ja in den alten D&D-Spielwerten keinerlei Attribute! – Wie geht man in O/AD&D mit „probenrelevanten“ Situationen um, wenn die Charaktere keine Spielwerte dafür haben? Diese Frage soll hier ein wenig betrachtet und mit einer Hausregel „beantwortet“ werden.

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Der D&D-Materialismus als Wurzel des politischen Spiels

König Arthur und Sir Lancelot - von Howard David Johnson

König Arthur und Sir Lancelot - von Howard David Johnson

Im Blutschwerter-Forum hatte jemand nachgefragt, ob bzw. warum es in AD&D (2nd Ed.) nicht beim Erfahrungsanstieg auch automatisch eine Verbesserung der Attributswerte gibt. Das nehme ich mal zum Anlaß etwas über den bei D&D typischen, ja DEFINIERENDEN Materialismus zu sprechen – und welche Folgen dieser für die klassischen D&D-Spielformen hat.

Kompetenz durch Besitz, nicht (nur) durch Können

Da es in AD&D verdammt LEICHT ist einen +1, +2, +3/+5 gegen Werwesen, usw. in Form von gefundenen oder gekauften magischen Gegenständen zu bekommen, erfolgt der Ausbau der individuellen Kompetenz eher über die DINGE, die ein Charakter HAT, und weniger über die FÄHIGKEITEN, die ein Charakter KANN.

Bedenke: Ein +1 Schwert ist – je nach Klasse – schon ein Kompetenz-Anstieg von mehreren Levels beim Kämpfen UND gibt einen Schadensbonus, als wenn die Stärke auch noch effektiv so weit angestiegen wäre, daß ein um +1 höherer Schadensbonus gegeben ist.

AD&D und verwandte Rollenspiele haben eher die Idee, daß ein Charakter sich nur zum Teil dadurch auszeichnet, was er KANN.

Zum Können gehören seine Attribute (also die Eigenschaften, die jeder Charakter besitzt und deren unterschiedliche Quantitäten das „Profil“ der GRUND-Kompetenz des Charakters bestimmen). Und dazu gehört sein Level in seiner Klasse (bzw. seinen Klassen), welche ein ganzes PAKET an Fähigkeiten darstellt (Rettungswürfe, Trefferwürfe, Zauberfähigkeiten, sonstige Fähigkeiten – samt Progression derselben). – All das stellt dar, was der Charakter KANN, wenn er im Lendenschurz rumsteht. Das ist eine Grundkompetenz samt deren Progression mit wachsender Erfahrung.

Andere Rollenspiele setzen beim Kompetenz-Zuwachs vornehmlich (ja z.T. ausschließlich) bei der Grundkompetenz an: Sie sehen vor, daß sowohl die Attribute (und andere Spielwerte) mit Erfahrung wachsen können, als auch andere Fähigkeiten sich verbessern können. Daher ist das Kompetenz-WACHSTUM praktisch NUR vom Anwachsen der GRUND-Kompetenz des Charakters bestimmt.

Bei D&D-verwandten Rollenspielen ist nur die Progression der Klassen-Level mit der Erfahrung wirklich für das GRUND-Kompetenz-Wachstum vorgesehen. Was aber NIEMALS vergessen werden darf: Die GRUND-Kompetenz stellt nur einen TEIL der tatsächlichen Kompetenz eines Charakters dar!

Beispiel: Zwei mit IDENTISCHEN Spielwerten ausgestattete Fighter Level 4 treten gegeneinander an. – Der eine hat eine +1 Plattenrüstung, ein +3 Frostbrand-Langschwert, der andere hat eine normale Plattenrüstung (nicht magisch) und ein Langschwert (nicht magisch). – Welcher von beiden ist kompetenter und wird (wahrscheinlich) gewinnen? – Eben.

Beispiel: Zwei mit IDENTISCHEN Spielwerten ausgestattete Zauberer Level 7 treten gegeneinander an. – Der eine hat nur seine Zauber, die er bei Level-Aufstiegen erworben hat und einen Schutzring +1. Der andere hat mehrere andere Zauberer besiegt und deren Spruchbücher geplündert und verfügt nun über ein breites Repertoire an Zaubern und hat Bracers of Defense AC4, eine +1 Robe, eine Feuerball-Stab mit 34 Ladungen, einen Blitz-Stab mit 12 Ladungen, ein halbes Dutzend interessanter Zaubertränke am Bandolier griffbereit hängen und einen Scroll-Caddy als Henchman, der ihm aus einer Fülle an Scrolls die jeweils passende reicht. – Welcher von beiden ist kompetenter und wird (wahrscheinlich) gewinnen? – Eben.

Sieht man da langsam ein „System“ dahinter?

Genau! – Wer MEHR hat, der kann MEHR machen und ist KOMPETENTER!

Materielle Zugewinne an Kompetenz erfolgen ausschließlich In-Game

D&D-like Rollenspiele bauen auf Individualisierung und Kompetenzentwicklung durch MATERIELLE In-Game-Zugewinne, weit weniger auf „immaterielles“ Kompetenzwachstum durch Attributs- oder Fertigkeits-Verbesserung.

Ein niedrig-stufiger Charakter kann mit entsprechen mächtigen magischen Gegenständen einem deutlich höherstufigen mit geringerwertiger Ausstattung durchaus paroli bieten.

Bei (A)D&D bist Du, was Du HAST (eine Klasse, magische Gegenstände, Henchmen&Hirelings). – Bei anderen Regelansätzen (wie Runequest) bist Du, was Du KANNST.

Interessanterweise führt das bei D&D dazu, daß man sich MEHR darum kümmern MUSS, was man IN-GAME an Charakter-Kompetenz-Unterstützung ergattern kann.

Die passenden Kontakte, Beziehungen, usw. führen zu günstigen Henchmen&Hirelings, die einem das Leben und Überleben erleichtern. Die Abenteuer bringen die Charaktere in den Besitz von UNMENGEN von Wertsachen, die helfen die bestmögliche Ausrüstung, die bestmöglichen magischen Waffen und sonstige Gegenstände zur Kompetenzerweiterung zu erwerben.

Damit ist es viel wichtiger, was alles IN-GAME zusammengetragen wird, als nur auf eine „Erfahrungsgewinn-Regelmechanik“ zu setzen, die essentiell kaum eine In-Game-Einbindung hat.

So gibt es bei RuneQuest diese In-Game-Einbindung nur beim Lernen bei Lehrmeistern, aber für die „Learning-by-doing“-Mechanik gibt es KEIN In-Game-Äquivalent! Bei AD&D gibt es In-Game KEINE „Level“ oder „Klassen“, sondern nur Berufe und Personen mit offensichtlich mehr Erfahrung, Reichtum, besserer Ausrüstung und jeder Menge Gefolgsleute. Man sieht dem Auftreten eines Charakters IN-GAME bereits an, wie kompetent er ist.

Charisma ist in D&D keine „dump stat“, sondern überlebenswichtig

Daran sieht man auch, daß Charisma erst mit D&D 3E zur „dump-stat“ verkommen ist (nur spielerische Nieten hatten früher mit niedrigen Charisma-Werten spielen wollen).

Vor dem rein auf das Fantasy-SWAT-Team, das sich nur öde rumkloppt und auf soziale Beziehungen scheißt, ausgerichteten D&D 3E war es ÜBERLEBENSWICHTIG, daß die SC sich mit Experten, mit Gefolgsleuten, mit treuen Dienern, mit Lehrlingen, mit Leibwächtern, usw. umgaben. Mieses Charisma bedeutet, die Henchmen&Hirelings lassen einen immer genau dann im Stich, wenn man sie am Nötigsten hätte. Daher war ein gutes Charisma überlebenswichtig! Nicht „unwichtiger“ als andere Attribute – und keinesfalls eine „dump stat“.

Name-Level als Umsetzung des Konzepts „Eigentum verpflichtet“

Gerade AD&D 1st Ed. stellt mit seinen Name-Level-Regeln eine gewollte thematische Änderung der Spielweise für höherstufige Charaktere dar. Hier gehen zwei Konzepte zusammen:

„With great power comes great responsibility“ und „Eigentum verpflichtet“

In der D&D-Sicht ist das ein und dasselbe!

Das Materielle, der Besitz eines Charakters, ist das, was ihn über seine Grundkompetenz hinaus MÄCHTIG macht. Und mit mehr Besitz (und dazu zähle ich Henchmen&Hirelings, Followers, Charmed Persons, Sklaven, Nutztiere, einen subdued Dragon, usw. hinzu) hat er einfach mehr MACHT.

Was soll ein solcher Charakter, der eine „punktuelle“ Machtanhäufung darstellt, nun mit all seiner Macht anfangen?

Weiter durch einfach noch längere, noch schwierigere Dungeons kriechen und dort noch mehr und noch stärkere Monster plätten?

Das ist es, was D&D 3E bejaht. Dort gibt es einfach MEHR von allem, aber ohne jegliche Auseinandersetzung, was für einen GESELLSCHAFTLICHEN Einfluß ein Charakter, der regelmäßig in den Abyss herabsteigt um dort eigenhändig Dämonen zu plätten, haben könnte.

AD&D 1st Ed. war da anders. Vorausschauender. Vielseitiger. –  Dort wurde der  Übergang vom bis dahin schon langsam kaum mehr interessanten und nicht mehr wirklich herausfordernden Dungeon-Crawling-Spiel ins POLITISCHE Spiel ganz vorzüglich herausgearbeitet.

Bei Erreichen des Name-Levels wird ein SC ein „Major Player“ im politischen Machtgefüge der Region. Er wird nicht mehr weiter sein unstetes Dungeon-Ausräumen betreiben, sondern seine Machtbasis, statt durch nur lokal wirksame magische Gegenstände und etwas Grundkompetenzanstieg durch Erfahrung auszubauen, eher durch seine Scharen an Gefolgsleuten, angeheuerten Leuten, an SIEDLERN unter seiner HERRSCHAFT und durch BÜNDNISSE mit seinen Nachbarn ausbauen. – Das alles – wie aller materieller Kompetenzzuwachs – natürlich In-Game!

Beispiel: Zwei Charakter derselben Klasse und desselben (Name-)Levels unterscheiden sich in ihrer Kompetenz MASSIV durch das, was sie an POLITISCHER Macht, an EINFLUSS auf die Spielwelt akkumuliert haben. – Der popelige Dungeon-Crawler, der als Kämpfer noch immer nach Level 9 durch dunkle Gewölbe kriecht, der hat so gut wie NULL Einfluß auf all das, worauf es in der Spielwelt WIRKLICH ankommt. Hingegen der Fighter, der sich zum Fürsten über selbsteroberte Ländereien gemacht hat, der über Tausende Untergebene herrscht, der ganze Horden an „Adventuring Parties“, seine Gefolgsleute, seine Hofmagier, seine Paladine, seine Spione (Diebesgilde!), usw., DER hat WIRKLICH Einfluß auf die Spielwelt!

Diese Art des Übergangs in das politische Spiel ist eine ganz natürliche Konsequenz aus dem „materialistischen Konzept“ von D&D, welches ja mehr und mächtigere Besitztümer anzuhäufen anregt. Irgendwann werden das „Immobilien“, Ländereien, Festungen, Magiertürme, Tempelfestungen, Kriegerorden, usw. – alles das erwächst ganz natürlich aus dem Anwachsen der Kompetenz über das, was der Charakter HAT, weniger über das, was er KANN.

HAT er eine Festung im Grenzland und einen Landstrich, den er sein eigen nennt, dann HAT er MACHT auf politischer Ebene. – Ein D&D-Charakter wird nicht „vom Tellerwäscher zum Millionär (genauer zum Unternehmer!)“, sondern er wird vom ängstlichen Dungeon-Crawler zu einem politischen Major Player, einem Fürsten, Hohen Priester, Erzmagier, usw. mit mehr Einfluß als nur dem seines eigenen Schwertarms, seiner Wunder, seiner Zaubersprüche!

Das politische Spiel von AD&D (1st Ed.) erwächst ganz natürlich aus dem materialistischen Ansatz von D&D. Das ist ein definierendes Merkmal von allen typischen „D&D-like“ Rollenspielen. – Wo diese natürliche Entwicklung nicht (mehr) vorkommt, hat man es nicht mehr wirklich mit D&D zu tun, sondern nur einem blassen Schatten dessen, was D&D auszeichnet.

Die falschen Fragen

Eine Attributssteigerung bei D&D-Charakteren ist sowas von UNWICHTIG, daß sie damals wie heute kaum jemand vermißt (außer den durch die 3E „versauten“ UN-D&D-Spielern, die meinen, daß es bei D&D nur um das Anwachsen der PERSÖNLICHEN Fähigkeiten – um mehr Feats, mehr Spells, mehr Skill-Ranks – ginge).

Wer als Spieler versucht sich um die „great responsibility“ für die GESAMTE SPIELWELT zu drücken, und statt dessen nur lahmarschig seine „great power“ anzuheben, der spielt wie eine LUSCHE! – Der Charakter mag noch so kompetent sein, aber Spieler, die sich scheuen die SPIELWELT aus den ANGELN zu heben, indem sie sich den heftigen Herausforderungen des politischen Spiels stellen, die spielen nur mit „Stützrädern im Verkehrsgarten/Dungeon“, die sind aber in ihrem Horizont auf die nächstgelegenste Dungeon-Wand beschränkt.

Daher: Fragt nicht, wie man Attribute der Charaktere steigert, fragt lieber, wie man ganze KÖNIGREICHE GRÜNDET!

 

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