Leverage Companion 2 – Leverage im Dunkeln

Kürzlich hat Cam Banks angelegentlich der am 25. Dezember ausgestrahlten allerletzten Leverage-Folge (letzte Folge der finalen 5. Staffel) mal wieder einen Blog-Artikel auf der MWP-Seite über das Leverage RPG veröffentlicht.den weiteren Plan für die Themen der Leverage Companions bei Margaret Weis Productions (MWP) in einem Blog-Artikel auf dem MWP-Blog vorgestellt.

Hier die dortige Liste bereits erschienener und geplanter Leverage Companions.

  • MWP-LC01 Too Many Chefs
  • MWP-LC02 Leverage Noir
  • MWP-LC03 The Foil
  • MWP-LC04 Hollywood Hacking vs. the Real World
  • MWP-LC05 Tropes vs. Leverage
  • MWP-LC06 Kryptos
  • MWP-LC07 Foil Folio
  • MWP-LC08 Node-Based Capers
  • MWP-LC09 One-On-One Leverage
  • MWP-LC10 The Rich and Powerful

Wie in der Cortex-Plus-Community auf Google+ angekündigt erscheinen diese im wöchentlichen Rhythmus. Da sind ein paar interessante Themen dabei, aber manche Themen, die ich eigentlich vermisse. Mal sehen, was ich an von mir gesehenen Lücken noch irgendwann hier im Blog stopfen kann.

Ist der Inhalt Zeit und Geld wert? Was bringen sie für das eigene Leverage-Spielen wirklich? Lohnt sich die Anschaffung?

Diese Fragen möchte ich versuchen zu beantworten. Dieses mal für das Leverage Companion 2 – Leverage Noir.

Leverage Companion 2 – Leverage Noir

Autor: H. M. ‘Dain’ Lybarger (bekannt für einige Savage MARS Abenteuer für Adamant Entertainment oder für seine MHR-Adaption des Conan-Klassikers „The Tower of the Elephant“ – und er ist bereits eingeplant dafür bei „Age of Apocalypse“ für MHR mitzuwirken.)

Umfang: 22 Seiten (inklusive Titelbild und Rückseite).

Preis: $2.99 – nach aktuellem Kurs ca. 2,30 Euro.

Format: Es gibt nur die elektronische Fassung als PDF-Datei. Andere eBook-Formate werden nicht angeboten. (Da ich keine eBook-Reader oder dergleichen verwende, konnte ich nicht prüfen, wie die Darstellungsqualität in diesen Geräten aussieht.)

Aufmachung: Titelbild und Seitenlayout sind ähnlich aufgemacht wie das Leverage-Grundregelwerk bzw. die darin befindlichen Kapitelstrukturen. Ein Inhaltsverzeichnis ist nicht vorhanden, bei den wenigen Seiten aber auch zu verschmerzen.

PDF-Funktionen: Es gibt KEINE druckerfreundliche Option, keine Layers, über die man Seitenhintergründe oder Bilder abschalten könnte. Die dicken blauen Ränder und manche der ganzsseitigen Bilder aus der Serie ausblenden zu können, wäre durchaus wünschenswert. Bei meinem Exemplar ergab sich beim Ausdrucken auf JEDER Seite genau auf der Höhe der Seitenzahlen ein schmaler Bereich, der irgendwie „gefaltet“ wirkte, so daß die Seitenzahlen nicht lesbar waren. Das beeinträchtigt den Text zwar nicht, ist aber unschön und mir bei anderen Kauf-PDFs so noch nicht untergekommen. – Dieser Fehler war schon beim Companion 1 vorhanden und zeigte sich auch bei diesem Companion 2, so daß es nahe liegt zu vermuten, hier ist ein systematischer Fehler am Werke. Mal sehen, ob er sich auch beim bereits erschienenen Companion 3 zeigen wird.
Es sind KEINE Lesezeichen vorhanden. Das ist etwas, was ich bei einem solch kleinen PDF aber durchaus ausführlich erwarte. Dafür ist aber wenigstens das Drucken und das Herauskopieren von Textpassagen erlaubt – das ist leider nicht in allen PDF-Produkten mancher Verlage der Fall

Die einzelnen Abschnitte bespreche ich in ihrer Folge im Dokument im Detail.

Titelbild (Seite i)

Dies ist ein ganzseitiges Bild des (vorgeblichen) Ziel-Bösewichts aus der Folge „The 10 li’l Grifters Job“, Folge 2 aus Staffel 4. Das finde ich nicht wirklich zum Thema passend und gibt ein denkbar schlecht „ziehendes“ Titelbild ab. Das Bild von Nate/dem Sheriff aus dem „The Van Gogh Job“ auf Seite ii wäre hier ein deutlich besser zum „Noir“-Thema passender Titel gewesen – und Nate Fords Gesicht ist den Leverage-Fans bekannt, während ein Gesicht einer Zielperson, welche auch noch früh im betreffenden „Job“ von der Bildfläche verschwindet, nicht gerade Wiedererkennungswert hat.

Introduction (Seite ii)

Auf einer Seite wird sehr kurz das Thema des Companions vorgestellt: Leverage-typische „Jobs“ zu früheren Zeiten (1920er, 1930er, 1940er Jahre) angelehnt an „Film Noir“-Vorlagen.

Eigentlich ist das eine RIESIGE Setting- und Zeitspanne, aber bei dem gesetzten Volumen an Text, welches ein Companion liefert, wird dies kaum erschöpfend oder auch nur ein klein wenig in die Tiefe angerissen dargeboten werden können.

A Brief History of Crime (Seite 1 bis 6)

Dies nun ist das Kapitel, welches die einzelnen Noir-Epochen der „Crime World“ behandelt.

Crime World in the 1920s

Eine einzelne Seite zu den gesamten Zwanziger Jahren, da kann nicht viel mehr als ein leichtes Kratzen an der Oberfläche geboten werden. Ein Kasten an der Seite geht noch ein klein wenig auf die zeitlich passende Kleidung ein, aber insgesamt ist hier so wenig zu den Zwanzigern geboten, daß man besser beraten ist sich woanders (bei Cthulhu oder GURPS-Settingbüchern oder gleich via Internetsuche) zu informieren. Insgesamt viel zu wenig, so daß offengestanden eine reine Linkliste samt eventueller Buch- und Film-Empfehlung hier besser angestanden hätte.

Crime World in the 1930s

Für die Dreißiger Jahre, die Great Depression, die Weltwirtschaftskrise, den aufkommenden Faschismus und den Beginn des 2. Weltkriegs müssen zwei Seiten reichen – tun sie natürlich nicht. Wie schon zu den Zwanziger Jahren angemerkt, seien hier auch andere Quellen zur Recherche angeraten, wie z.B. diese exzellente hier: Dirty ’30s. Offengestanden ist diese Dreißiger-Jahre-Quellenbandsammlung von Paperdragon einfach ein MUSS für jeden, der in dieser Epoche spielt (auch und gerade für die Deadlands:Noir-Spieler!). Man kann zwar nicht den Umfang eines dedizierten Dreißiger-Jahre-Quellenbandes erwarten, aber wenn der Platz eben nun einmal so knapp ist, dann wäre ein Verweis darauf, wo man mehr erfahren kann, also eine Linkliste und eventuelle Buch- und Film-Empfehlungen sicher sinnvoller gewesen.

Crime World in the 1940s

Für die Vierziger Jahre, die Kriegszeit und die Nachkriegsjahre, also die eigentliche „Film Noir“-Epoche, bleibt nur wiederum eine einzige Seite. Es gilt das oben Gesagte, daß bei dem knappen Platz eher eine Linkliste und Film- sowie Buch-Empfehlungen sinnvoller gewesen wären. Vor allem Buchempfehlungen zu den prägenden Romanen einer jeden, für sich genommen unterschiedlichen Epoche wären schon richtig nützliche Hilfestellungen zum Einstieg in die jeweilige(n) Spielwelt(en).

Period Slang

Eine Seite mit stimmungsvollen Slang-Begriffen für die gesamte, 30 Jahre überspannende Zeit, die dieses Companion umfassen soll, ist für jemanden, der noch überhaupt keine Ahnung hat, sicher sinnvoll, wenn sich auch der Slang massivst über dies lange Zeit geändert hat. – Aus Sicht eines deutschsprachigen Leverage-Spielers werden sowieso viele Begriffe in hiesigen Runden nicht vorkommen, sondern eher durch deutsche Äquivalente ersetzt werden. So handhabe ich das schon länger in meiner Deadlands:Noir-Kampagne, wo dann – sicher nicht historisch akkurat – von Plattfuß, Schnüffler, Puppe, Biene, Knarre, Zimmerflak, Wumme, Knete, Kohle, Kröten, usw. die Rede ist. Hauptsache, es hört sich ähnlich an, wie die – oftmals gar nicht mal so schlecht synchronisieren – alten Spielfilme.

New Talents for Leverage (Seite 7 bis 16)

In diesem zweiten Kapitel gibt es die „Einkaufsliste“ mit für Noir-gefärbte Leverage-Runden angepaßten Talenten (und einer Seite rund um passende Distinctions). – Interessanterweise gleich mal voraus bemerkt: Fast alle, wirklich bis auf sehr wenige Ausnahmen, dieser Talente können auch genauso gut in einer modernen oder „weniger weit in der Vergangenheit plazierten“ (lies: 70er, 80er, 90er, Nuller Jahre) Runde eingesetzt werden.

Open Talents

Fünf Talente für alle Rollen. Es wird angemerkt, welche dieser Talente für moderne Runden sinnvoll sein könnten, aber ich sehe hier – eventuell bis auf Juvenile Delinquent zu heutigen, abgebrühteste Jugendstraftäter kennenden Zeiten – so gut wie alle als auch im modernen Leverage für sehr spezifische Crews nutzbar an.

Hitter

Diese fünf Hitter-Talente passen alle auch in modernen Runden für Hitter ohne oder mit wenig Schußwaffeneinsatz.  – Im Supplement Hitters, Hackers &Thieves wird näher auf Hitter und Schußwaffen bzw. Hitter mit Schußwaffen eingegangen, was für eine Noir-Runde durchaus von Bedeutung sein dürfte.

Meiner Ansicht nach gehört zu Noir deutlich mehr Brutalität, als man sie in der eher spielerischen Leichtigkeit von Leverage so findet. (Und es ist schon verdammt schwer genug den von Shadowrun oder anderen Rollenspielen auf „brutal“ getrimmten Spielern die exzessive Gewaltanwendung auszureden und sich auf den Leverage-Stil des Nicht-Tötens einzulassen.) – Aber in Noir wird gestorben, und zwar auf beiden Seiten! Daher fehlen mir in diesem Companion auch regelseitig ein paar Wort zu „Verschärfungen“ der Tödlichkeit für Spielercharaktere, denn diese sind ja in Leverage so gut wie „unkaputtbar“ und sollten dies in Noir-Runden nicht sein, meine ich.

Hacker

Hier wirkt sich die unterschiedliche, vorsintflutliche Technologie am ehesten aus. Nicht mehr der „Techno-Magier“ steht hier als Synonym für den Hacker, sondern der „Bastler“, der „Schrauber“, der Mann mit dem Lötkolben oder die „Wrench Wench“. – Vor den hier aufgeführten fünf neuen Talenten gibt es noch eine kurze Vorrede, bei der ich mir gewünscht hätte, es würden zumindest die Hacker-Talente aus dem Leverage-Grundregelwerk hinsichtlich ihrer Verwendbarkeit in einer der drei Noir-Epochen explizit abgeklopft werden – wurden sie aber nicht. Schade, denn das hätte nicht viel Text erfordert. – Unter den hier aufgeführten Talenten ist auch der Fahrer, der „Wheelman“ aufgehoben, was aber nicht heißt, daß nicht auch in diesen Epochen Wheelman von anderen Rollen übernommen werden könnte (über Specialties, Signatur Assets und Distinctions, sowie einfach das Fahren „mit Stil“ über die jeweilige Rolle).

Thieves

Die fünf Diebes-Talente könnten auch heutzutage zum Einsatz kommen. Nicht immer und überall geht es ja so „high-tech“-orientiert zu.

Grifters

Grifter sind zu allen Zeiten gut aufgestellt. Hier kommt jedoch bei den fünf neuen Grifter-Talenten ein wichtiger Punkt zum Tragen, der für das Spiel in historischen Epochen oft von Bedeutung ist: Deutlich engere, geschlossenere soziale Kreise in der Spielwelt, andere, oft beschränktere Rolle der Frau, Herkunfts-, Standes- und Rassenprobleme. – In den USA dieser Epoche war „Segregation“, Rassentrennung, ein großes Thema. Ein Schwarzer als Crew-Mitglied kann sich in diesem Setting längst nicht so frei bewegen, wie ein protestantischer Weißer angelsächsischer Abstammung. Aber in manche Kreise kommt man nur über die passende Hautfarbe bzw. soziale Schicht, so daß eine vielseitige Crew dies bedenken sollte. Ein Talent gibt hierbei Hilfestellung.

Generell ist beim Spielen von Noir-Abenteuern zu überlegen, ob man wirklich in einer solchermaßen rassistischen Umgebung spielen möchte. Auch in Deadlands:Noir ist das ein Thema. Da wird dem Spielercharakter des schwarzen Voodoo-Hexers so mancher Zugang durch die Vordertüre verwehrt, er muß im Bus oder der Bahn hinten sitzen und wird von der Polizei schlechter behandelt als ein Weißer. Das kann zu interessanten Komplikationen führen, aber eben auch zu dem bitteren Geschmack des Rassismus im Mund. – Wenn man die Zwanziger, Dreißiger oder Vierziger Jahre nicht komplett fiktiv in eine unhistorisch „aufgeklärte und gleichberechtigte“ reine Phantasie-Alternativwelt verändern möchte, dann wird man den historischen Unannehmlichkeiten immer wieder über den Weg laufen. In  meiner Deadlands:Noir-Runde wird das als eine durchaus willkommene Quelle für Komplikationen und Erschwernisse gesehen, welche die Spielwelt „realer“ wirken läßt, deren Glaubwürdigkeit erhöht. YMMV.

Masterminds

Bei diesen fünf neuen Mastermind-Talenten wird dem schmerzlichen Fehlen der „Ohrstöpsel“ zur allgegenwärtigen, allzeitigen Kommunikation innerhalb der Crew Rechnung getragen. Ein Mastermind kann ohne Funkgerät nicht mehr einfach mitten in der Aktion der Crew-Mitglieder „reingrätschen“ und ggf. den gesamten Plan ändern (war aber schon immer so gedacht!). Daher muß mehr Wert auf minutiös abgestimmtes Training, Probeläufe, Mitstoppen der Zeit, Choreographie (auch zur Musik – siehe Hudson Hawk, „Swinging on a Star“) geachtet werden. Diese Talente helfen dabei.

Distinctions for the ’20s, ’30s and ’40s

Auf einer Seite werden ein paar Vorschläge für zum Noir-Setting passende Distinctions gemacht mit Beispielen wie Mafia-Buchhalter, Hobo, Streikbrecher, Femme Fatale usw., sowie typischen Mafia-Spitznamen als Distinctions.

Making Your Game Noir (Seite 17 bis 18)

Auf einer knappen halben Seite (über einem halbseitigen Bild aus „The Van Gogh Job“) wird das von mir oben schon erwähnte Problem angesprochen: Leverage ist leichtherzig und relativ „unbrutal“, während Noir-Geschichten die menschlichen Abgründe ausloten, jedem Laster, jeder Korruption, jeder Sucht nachgehen, Brutalität, Härte, Menschenverachtung ständige Begleiter der Protagonisten sind. – Wie soll man diese doch recht krassen Unterschiede vereinen?

Gute Frage.

Leider sind  die Antworten nicht so recht das, was ich mir erwartet hatte. – Die erste Antwort ist, daß man zwar „Leverage Noir“ spielen könne, aber doch besser nicht wirklich so richtig. Hier das Zitat:

Since the spirit of noir fiction is at such odds with the spirit of Leverage, you probably shouldn’t go whole-heartedly noir unless all the players at your table are on board with the idea.

Klar. Wenn nicht jeder mit dieser Noir-typischen Härte einverstanden ist, dann halt nicht. Gilt ja für jede Art von Setting, daß, sobald manchen Spielern bestimmte Versatzstücke, Spielarten, Themen nicht behagen, man diese eben nicht bringen sollte. – Aber was, wenn wirklich ALLE Noir „mit allem, mit scharf“ WOLLEN?

Diese Antwort wird NICHT gegeben.

Der größte Teil dieser halben Seite über „Making Your Game Noir“ befaßt sich damit, das Spiel eigentlich doch NICHT Noir zu machen. – Es wird empfohlen als Abwechslung mal eine Art „Rückblenden-Episode“ ähnlich wie die in „The Van Gogh Job“ zu spielen, bei der alle Spieler der heutigen Crew die Charaktere von Personen vor 70 bis 90 Jahren übernehmen könnten. Das ist eine nette Variante, aber nicht mehr als das.

Wie man Leverage RPG nun wirklich für ein von allen Spielern gewolltes, hartes, brutales Leverage Noir umstellt, das bleibt dieses Leverage Companion 2 – Leverage Noir schuldig!

Sources of Inspiration (Seite 19)

Hier kommt nun eine wirklich sehr kurze Liste an Film-Vorschlägen (neun Filme) und Autoren-Vorschlägen (sieben Autoren). Das ist kurz, aber besser als nichts, jedoch ohne weiterführende Links (siehe den obigen Link zur Dirty ’30s Seite) immer noch recht dünn.

Impressum/Bildernachweis (Seite 20)

Hier ist das Impressum und ein detaillierter Bildernachweis der TV-Serien-Schnappschüsse im Text zu finden. Nichts Überraschendes hier.

 

Das Urteil

Ich bin ja angetreten die folgenden Fragen zu beantworten.

Ist der Inhalt Zeit und Geld wert?

Auch dieses zweite Companion ist als 22-seitiges PDF-Dokument ordentlich layoutet und mit meist passenden Bildern aus der Serie aufgemacht, bis auf das leider so wenig sinnvoll gewählte Titelbild. Man bekommt hier solide Optik geboten, doch das Fehlen von druckerschonenden Einstellungsmöglichkeiten (Layers) und von Lesezeichen mindern in meinen Augen die mögliche Qualität eines solchen PDF-Produkts. Da kommen hoffentlich bei den folgenden Ausgaben der Companions eine bessere Aufbereitung und – eventuell – für die älteren Produkte Updates mit Printerfriendly Layers und Bookmarks.

Inhaltlich war dieses Companion die Zeit es mehrfach durchzulesen zwar wert, aber nur knapp. Knapp, weil eigentlich nur der Teil der Talente wirklich etwas „Fleisch“ bietet. Die wirklich SEHR knappen Ausführungen zu den Zwanziger, Dreißiger und Vierziger Jahren, sowie zum Noir-Genre bieten weniger als ein Wikipedia-Artikel, den man schnell im Internet auffinden kann. – Hier hätte ich mir wirklich spezifischere WEITERFÜHRENDE Informationen gewünscht. Kommentierte Linklisten, Bücher- und Film-Empfehlungen, eventuell auch nur exemplarisch einen Film wie „The Maltese Falcon“ mal so analysiert, wie man im Leverage-Grundregelwerk die einzelnen Episoden der Serie aufbereitet hat.

Daß ein solches, dünnes Companion-Produkt nie und nimmer ein echtes Quellenbuch ersetzen kann, ist ja klar. Somit muß man sich überlegen, welche Inhalte in dem knappen Format den größten Nutzen für den Kunden bieten könnten. Und da hätte ich mir anderes und vor allem „Gehaltvolleres“ gewünscht, welches mich auf den richtigen Weg zur eigenen Recherche geleitet.

Wie gesagt, die Talente sind alle wirklich brauchbar und die allermeisten auch für moderne Settings.

Hier ein gewisser Punkt, der mir bei vielen Leverage-Zusatzmaterialien Bauchgrimmen verursacht:

Sind noch mehr neue Talente wirklich sinnvoll?

Bei Leverage sind Talente aber leider sehr „teuer“ im Erwerb nach der Charaktererschaffung (ganze ACHT Jobs gehen für ein einziges neues Talent weg KORREKTUR: es kostet VIER Jobs ein neues Talent zu erwerben) und bei der Charaktererschaffung hat man eh nur zwei. Wenn ich mir also anschaue, daß hier jede der fünf Rollen je fünf neue Talente bekommt und nochmal fünf offene Talente für alle Rollen, dann ist das schon verdammt viel. Zusammen mit den in Hitters, Hackers & Thieves und Grifters & Masterminds kommt hier eine enorme „Schwemme“ an Talenten zu sammen, die – ähnlich wie die Feat-Schwemme bei D20 – so gut wie KEIN Charakter wirklich auch nur ansatzweise ausschöpfen kann. – Braucht es wirklich immer wieder und wieder neue Talente? – Ich glaube, nein.

Aber, wie bei D20 ja auch, viele Rollenspieler wollen einfach sich selbst der Illusion von „mehr Auswahl“ unterwerfen und sehen nicht, daß sie in der Praxis auch beim Spielen von 50 Spielsitzungen in derselben Runde mit demselben Charakter maximal VIER(!) neue Talente zusätzlich KORREKTUR: maximal ZWÖLF neue Talente zusätzlich zu den zweien bei Charaktererschaffung wählen können.

ERGÄNZUNG: Bei der obigen Betrachtung fällt der Erwerb von Signature Assets, Specialties, die Erhöhung von Attributen und Rollen unter den Tisch. Wenn man dafür auch noch die Kosten an Jobs veranschlagt, bleiben trotz meines obigen Fehlers acht, statt korrektweise vier Jobs pro neues Talent einzurechnen, immer noch zu wenige neue Talente im Laufe eines Charakterlebens übrig, um die Schwemme an Talenten zu rechtfertigen.

Nach meinem Dafürhalten wären entweder Empfehlungen von Hausregeln/Regeländerungen für schnelleren Aufstieg notwendig, um von der Fülle an Talenten auch mal sinnvollerweise etwas im Spiel zu erleben, oder man kann sich das Aufstellen so vieler neuer Talente eigentlich sparen. – Die Sinnvollsten finden sich so oder so im Grundregelwerk.

Insgesamt ist das Companion 2 textuell eher knapp gehalten, auch wenn es vier Seiten mehr Umfang hat als das Companion 1.  Bei dem Thema „Noir“ hätte man sich überlegen sollen, ob dieses Thema WIRKLICH in dem kurzen Format adäquat behandelt werden kann. – Ich glaube, nicht. Allein die Unterschiede, die Charakteristika der Zwanziger gegenüber den Dreißigern oder Vierzigern herauszuarbeiten erfordert schon mehr Textvolumen. Dann noch spezifischere Schilderungen der sozialen, kulturellen und – ganz wichtig, weil in den 30 Jahren von 1920 bis 1950 die Technik ja enorme Sprünge gemacht hat – technologischen Grundlagen aufbereitet für das praktische Einbauen ins Spiel und man hat gleich mal ein Textvolumen wie bei Grifters&Masterminds vorliegen.

Die Talente sind sicher wohldurchdacht und auch das Ansprechen bestimmter Gegebenheiten wie Rassentrennung, die Nichtgleichberechtigung der Frau, usw. war sinnvoll, aber insgesamt einfach zu wenig.

Was bringen sie für das eigene Leverage-Spielen wirklich?

Also für MEIN Leverage-Spiel bringen die Inhalte hier kaum etwas. Es wurde mir zu wenig auf die „härtere Gangart“ im echten Noir-Spielen, das tödlich, brutal und eben hartgesotten sein sollte, eingegangen. „Weichgespülte“ Leverage-Runden, die nur so tun, als würden sie im Noir-Genre spielen, aber dort dann eben nicht wirklich zulangen, wären nicht mein Fall. Generell fehlt mir hier eine KONKRETE Umsetzungsdarlegung für „gritty“ Noir-Runden. Dann bleibe ich lieber in der Moderne, wo die Coolness der Charaktere auch ohne Waffen und ohne Tote wunderbar herausgespielt werden kann. Wenn ich Noir spielen möchte, nehme ich Regelsysteme und Settings, die deutlich blutrünstiger, härter und tödlicher sind.

Neue Talente finde ich – siehe oben – grundsätzlich problematisch, weil die SCs gar nicht so einfach und nicht so oft neue Talente erwerben können. Daher wird man die meiste der hier präsentierten Talente kaum in meinen Runden sehen. (Außer denen, welche ich für Conversions im Pulp-Bereich verwenden werde, wo ich aber auch via Charakter-Entwicklungsregeln dafür sorge, daß die Charaktere schneller mehr Talente erhalten können.)

Und wie zum Companion 1 fände ich es hier auch sehr sinnvoll, wenn in jedem Companion mindestens ein Szenario, das zum Thema paßt, enthalten wäre. So ähnlich wie in der Kurzfassung in Hitters, Hackers & Thieves vielleicht.

Lohnt sich die Anschaffung?

Dieses „Mini-Supplement“ hat mich weniger begeistern können als das Companion 1. Das liegt daran, daß ich die große Diskrepanz in der Setting-Ausrichtung des leichtherzigen Leverage-Settings und des hartgesottenen Noir-Settings sehe und erwartet hatte, daß nicht etwa versucht würde von einer richtig ins Noir abtauchenden Spielart abzuraten, sondern konkret zu zeigen, WIE man Leverage brutaler, härter und eben „mehr Noir“ spielen kann.

Das Preis-Leistungs-Verhältnis ist im Rahmen der sonst für ähnlichen Preis erhältlichen PDF-Produkte in Ordnung. Wenn der Inhalt mehr meinen Erwartungen entsprochen hätte, würde ich hier auch nicht nur eine „bedingte Empfehlung“ aussprechen. – Wer wirklich KEINE Ahnung von Film Noir als Genre, von Noir-Geschichten im Rollenspiel hat, dem wird hier sicher nicht geholfen. Wer einfach ein paar wenige Tipps und eine Reihe neuer Talente sucht, um sich mit eigenen Vorkenntnissen zum Noir Genre zu behelfen, für den könnte hier etwas zu finden sein.

Für mich ist dieses Companion nach der Lektüre eher ein Produkt für Komplettisten unter den Leverage-RPG-Freunden „zum Sammeln“.

 

In einem der nächsten Blog-Artikel stelle ich den Leverage Companion 3 – The Foil in ähnlichem Detail wie oben vor. (Und da ich eigentlich vor habe, ALLE diese Leverage Companions ähnlich ausführlich zu besprechen, heiße ich auch Spenden/Präsente von neuen Ausgaben z.B. via RPGnow.com willkommen. Denn nicht alle angekündigten Themen sind wirklich so, daß mir der Mauszeiger über dem „Bestellen“-Button locker sitzt.)

 

Ein paar weitere Neuigkeiten zu Leverage-Themen möchte ich hier gleich noch an diese Produktvorstellung anhängen:

Nachdem die Leverage-Fernsehserie beendet ist, geht auch John Rogers neue Wege. Einer ist z.B. ein „Crime World“-Supplement für das neue Fate Core RPG zu verfassen, in welchem er seine gesammelten Recherche-Erkenntnisse für Leverage zum Spielen von Leverage-artigen Szenarien mit Fate-Regeln aufbereitet. – Eventuell sind darin aber auch für Leverage-RPG-Spieler interessante Inhalte zu finden, weshalb ich es mir, sobald es frei verfügbar sein wird, zulegen werde (ich weiß noch nicht, ob ich den Kickstarter zu Fate Core unterstützen mag – noch ist ja Zeit genug es mir zu überlegen).

Und noch etwas Neues gibt es dieses Jahr:

Matt Forbeck (Deadlands-Fans schon lange als Rollenspielentwickler bekannt) legt einen ersten neuen Leverage-Roman vor. (Und ein weiterer Roman eines anderen Autors ist bereits angekündigt.) – The Con Job – das ist ein Job, bei dem es die Leverage Crew (die aus der Serie!) auf einen Comic-Con verschlägt. Hört sich schon einmal interessant an. Aktuell gibt es das bereits zu erwerben, aber ich werde wohl warten, bis erste Rezensionen eingetrudelt sind, denn Bücher zur Fernsehserie sind immer etwas heikel, finde ich.

(Bis auf die Castle-Romane, wobei: Das sind eigentlich ja Nikki-Heat-Romane, geschrieben von Richard Castle. :D – Und der Derrick-Storm-Comic ist übrigens auch gut gelungen. Meine Empfehlung für Castle-Fans.)

Bei Fragen oder Kommentaren nutzt bitte die hiesige Kommentarfunktion oder schaut in das Cortex-Unterforum im ehemaligen Blutschwerterforum oder gebt mir auf Google+ Euer Feedback.

0 commenti su “Leverage Companion 2 – Leverage im Dunkeln

  1. greifenklaue sagt:

    „daß sie in der Praxis auch beim Spielen von 50 Spielsitzungen in derselben Runde mit demselben Charakter maximal VIER(!) neue Talente zusätzlich zu den zweien bei Charaktererschaffung wählen können.“ – Kurze Nachfrage, aber in dem Bereich dürfte es ja von Stufe 1 zu 20 reichen und das wären bei DnD 3/d20 doch 6 neue Talente (3., 6., … – oder hab ich das falsch im Kopf?) und gar 10 bei PF (2., 4., …). Oder wie rechnest Du das jetzt?

    • Zornhau sagt:

      @greifenklaue:
      „Kurze Nachfrage, aber in dem Bereich dürfte es ja von Stufe 1 zu 20 reichen und das wären bei DnD 3/d20 doch 6 neue Talente (3., 6., … – oder hab ich das falsch im Kopf?) und gar 10 bei PF (2., 4., …). Oder wie rechnest Du das jetzt?“

      Ich verstehe Deine Frage nicht so recht. – Ich habe nirgendwo etwas zu Feats bei D&D 3E, D20, Pathfinder geschrieben.

      Ich meine die Talente (Englisch: Talents) bei Leverage.

      Diese erwirbt man im Tausch gegen durchgespielte Jobs.

      Und hier muß ich mich KORRIGIEREN: Es kostet VIER Jobs ein Talent zu erwerben, die acht Jobs sind für das Erhöhen von Attributen oder Rollen.

      Somit ist meine Kritik an einer Schwemme an Talenten auch im Detail anders, in der Tendenz aber immer noch gleich zu verstehen. – Es gibt zu viele Talente in den neuen Produkten.

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